Nachdem die Arbeiten auf der Werft in Diksmuide abgeschlossen wurden (Unterwasser und Schalle neu streichen) wurde das Boot wieder zurück in den Heimathafen nach Antwerpen gefahren. Die geplante "Reise rund um Belgien" fiel teilweise ins Wasser, siehe im Folgenden, war aber trotzdem in jeder Hinsicht schön, interessant, und erfolgreich.
Entgegen dem ursprünglichen Plan, zerst noch Ypern zu besuchen, fahren wir direkt Richtung 'nach Hause'. Eine erste, kurze Strecke nach Nieuwpoort soll zum wieder angewöhnen ans Schiff dienen, und wenn etwas noch nicht klappt, wären wir noch nicht zu weit von der Werft.
Zuerst aber zur Tankstelle im Hafen Diksmuide, denn der Tank ist fast leer. Beim Tanken lerne ich nicht nur den Hafenmeister, sondern auch das Boot näher kennen. Die Tank-Entlüftung ist nicht optimal, und der Hafenmeister kriegt eine Diesel-Dusche ab, nimmts aber ganz gelassen. Letztendlich klappt es aber und wir tanken 600 Liter - das reicht für die Reise.
Nach einer Stunde gehts dann los, gemütlich auf der Ijzer bis ans Tagesziel Nieuwpoort.
Nach dem 'Klar Schiff' fahren wir mit dem Tram an den Strand und genehmignen uns dort eine grosse Gaufre de Bruxelles.
Durch die Schleuse Sint Joris fahren wir in den Kanal 'Plassendale naar Nieuwpoort' und folgen ihm bis nach Plassendale. Dort biegen wir rechts ab in den 'Kanaal van Gent naar Oostende' und folgen ihm bis nach Brugge. Die Dampoort Schleuse passieren wir zusammen mit einem 'Grossen'. Das ist nicht ganz einfach, da, einerseits auf Grund der runden Form der Schleuse, und andererseits, da Poller fehlen. Aber wir schaffen das.
Im Jachthaven Coupure Brugge, den ich schon letztes Jahr besucht habe, legen wir an.
Einmal mehr: Brugge ist eine der schönsten Städte! Die vielen Kanäle, die verwinkelten Gassen und die weitestgehend noch originale und unverbaute Altstadt sind ein Traum.
Wir schlendern durch die Stadt, entdecken neue schöne Ecken, genehmigen uns Kaffee und Kuchen und geniessen einfach den schönen Tag.
Weiter geht es, nach einem Tag faulenzen. An der Gentpoortgrug warten wir auf die 'NOMIA', die uns folgt, danach staut sich der Morgenverkehr auf der Strasse wegen uns. Wir lassen die Stadt hinter uns, fahren dann durch die Vororte und anschliessend auf dem idyllischen 'Kanaal Gent - Brugge' Richtung Gent.
Wie geplant fahren wir nicht in die Stadt, sondern auf der 'Ringvaart' weiter steuern den Hafen der KGWV (Koninklijke Gentse Watersport Vereniging) in der Leie an. Da sind wir wieder gut aufgehoben und für die Weiterfahrt am nächsten Morgen gleich in den Startlöchern.
Nach einer kurzen Fahrt auf der 'Ringvaart' biegen wir rechts ab in die Schelde. Nach etwas Industrie zu beiden Seiten wird es bald natürlich schön, und der Gegenverkehr und wir haben gut Platz auf dem breiten Fluss.
Kurz vor Oudenaarde fahren wir unter der Ohiobrug durch. Diese wurde vom amerikanische Bundesstaat Ohio zum Gedenken an die Schlacht an der Schelde als Kriegsdenkmal gestiftet und steht dort, wo am 1. November 1918 das 148. Regiment der Buckeye-Division die Schelde überquerte. Bison-Statuen und Gedenktafeln wurden auf der Brücke aufgestellt.
In Oudenaarde warten wir erst mal, bis uns der Hafenmeister die Fussgängerbrücke öffnet und wir in den Hafen einfahren können. Dieser ist ganz neu gemacht, aber noch nicht ganz ferig. Er sei bereits 2 mal eingeweiht worden und die dritte Einweihung stehe bevor, sei aber noch nicht terminiert, meint der Hafenmeister schmunzelnd.
Den Nachmittag und Abend verbringen wir in der Stadt und mit Vorbereitungen für die 3 Gäste, die Morgen anreisen werden.
Nach dem Bunkern von Wasser gehts weiter auf der schönen Schelde. Bei Avelgem überqueren wir den Belgischen Röstigraben, das heisst, wir fahren vom flämischsprachigen Flandern ins französisch sprechende Wallonien. Die in Flandern zu entrichtende 'Waterwegenvergunning' brauchen wir hier nicht mehr, dafür muss aber eine MES-Nummer gelöst werden. Das könne an der ersten Schleuse gemacht werden, wurde mir gesagt. So ist denn in der 'Écluse d Hérinnes' die erste Aktion, pflichtbewusst, das Aufsuchen des Büros, mit allen Schiffspapieren unter dem Arm. Aber dort wurde mit Lachen beschieden, das Computersystem sei am Boden, russische Hacker hätten zugeschlagen, ich soll die Nummer bei nächster Gelegenheit irgendwo anders lösen... Bienvenue en Wallonie
Heute ist Landgang in Tournai angesagt - also zurück von unserem Nachtliegeplatz nach Tournai. Ein Aufenthalt hier lohnt sich! Die Stadt war schon zur Zeit der Römer von Bedeutung und gilt als drittälteste Stadt Belgiens. Die beeindruckende Kathedrale ist ein Besuch wert, auf dem schönen Hauptplatz mit der historischen Fassade schmeckt ein Bier oder Glacé wunderbar und die Aussicht vom 70 Meter hohen Belfried wäre sicher beeindruckend - aber es ist heute Montag, und da ist er geschlossen wie alle anderen Museen auch. Auch sonst ist die Stadt schön erhalten. Was auffällt ist, dass nicht mehr nur Ziegelstein-Häuser stehen, sondern auch wieder Kalkstein verbaut ist. Dessen Abbau hat in Wallonien eine lange Tradition.Die Schelde, hier in Wallonien 'Escaut' genannt, fliesst mitten durch die Stadt und auf ihr fährt der Berufsverkehr mit den ganz grossen Schiffen - ein cooles Bild (und für die Freizeitschifffahrt unproblematisch). Sehenswert ist in diesem Zusammenhang die 'Pont des Trous', eine Brücke restpektive ein 'Stadttor' über die Schelde. Seit 2019 sind nur noch die beiden seitlichen Türme Original - die Brückenbögen über die Schelde wurden abgerissen und so nachgebaut, dass eben auch die grossen Schiffe passieren können.
Kurz nach Antoing fahren wir in den 'Canal Nimy-Blaton-Péronnes'. Er führt uns nicht nur durch die Natur - zeitweise säumt Industrie die Ufer. An unserem Tagesziel, dem 'Port de Plaisance de Mons' im Grand Large hat der Hafenmeister keine Lust, uns übernachten zu lassen - alles sei belegt, obwohl die Stege reihenweise leer sind. Wir respektieren sein Ruhebedürfnis und fahren ein kurzes Stück zurück in ein leeres Hafenbecken in Ghlin, wo wir ebenso gut übernachten wie in Mons.
Heute soll das Highlight unserer Reise sein: das Schiffshebewerk in Thieu! Mit dem Lift 73 Meter in die Höhe - was für eine Vorstellung, was für Erwartungen... Es soll aber anders kommen.
Kurz vor Mittag legen wir am Kai vor dem Hebewerk an, da wir noch in Thieu einkaufen und dann, vor der Weiterreise, Mittagessen wollen. Kaum belegt fährt ein Auto mit zwei Mitarbeitern des Hebewerks vor und sie fragen uns, ob wir hoch wollten. Ja gerne, aber erst nach Einkauf und Mittagessen. Das sei in Ordnung, sie würden alles vorbereiten - wir gehen Einkaufen.
Nach dem Mittagessen machen wir uns bereit zum Ablegen, da kommt wieder ein Auto - diesmal die 'Police de la Navigation'. Die übliche Kontrolle durch die zwei Polizisten, der eine der Bad Cop, der andere der Good Cop. Der Bad kontrolliert alle Papiere ausgiebig (nimmt mich wunder was er gelesen hat, denn das Meiste ist in Polnisch geschrieben), mit dem Good plaudere ich über die Schweiz, da er selber offenbar öfter in Lausanne sei. Wie erwartet finden sie alles in Ordnung und sie verabschieden sich.
Da fahren wieder die 'Liftboys' vor und fragen, ob wir jetzt bereit seien. Ja, das sind wir! Eh bien, wir hätten die Wahl, entweder mit dem neuen Lift oder mit den 4 alten Hebewerken etappenweise fahren. Wir entscheiden uns für den Neuen, der ist imposanter, und wir wollen ja auch vorwärtskommen. Vorwärtskommen? Nein, sie würden uns hochfahren, dann müssten wir wenden und sie würden uns dann wieder runter fahren. Wie bitte? Mais oui, der Kanal sei oberhalb gesperrt und da können wir eh nicht weiterfahren. Oh merde... das haben wir nicht mitbekommen - jetzt sitzen wir in der Sackgasse, guter Rat ist teuer.
Nach einigen Diskussionen und Abklärungen und mit Unterstützung der Liftboys und Polizisten beschliessen wir, nicht den ganzen Weg bis Gent zurück und dann die Schelde runter bis Antwerpen zu fahren, sondern wählen den alten 'Kanaal Blaton - Ath' für die Rückfahrt. Das sollte sich als gute Wahl erweisen.
Für heute fahren wir zurück nach Mons, legen in 'Grand Large' neben dem Port de Plaisance an, geniessen einen Apéro und lassen uns danach ein Nachtessen beim Chinesen am All you can eat-Buffet schmecken.
Wir fahren die kurze Strecke nach Blaton, an den Anfang des Blaton-Ath Kanals, gemütlich zurück und beschliessen, den Éclusiers den freien 1. Mai zu gönnen und nicht mit unserer Durchfahrt zu vermiesen - die kommende Schleuserei verschieben wir auf morgen und gönnen auch uns einen freien Nachmittag mit Faulenzen, Spielen und Spaziergang.
Heute geht's los! Der 'Kanaal Blaton - Ath' ist ein Penichen -Kanal, die Schleusen rund 40 Meter lang und 5 Meter breit, knapp 3 Meter Hubhöhe. Für heute werden wir bis zur Scheitelhöhe 10 mal zu Berg schleusen und dann 11 mal zu Tal bis nach Ath. Dazwischen warten auch noch 16 Hebebrücken auf uns und die Schleusenwärter. Diese arbeiten aber sehr speditiv, ebenso meine Besatzung, und so erreichen wir unser Tagesziel in Rekordzeit.
Der Kanal ist etwas ganz Anderes, als was wir uns bis jetzt gewohnt sind: voll durch die Natur, viel schmaler, kein Berufsverkehr - einfach idyllisch. Es lohnt sich, ihn zu befahren!
Den kommenden Tag verbringen wir in Ath mit Einkaufen, Stadtbesichtigung und Faulenzen.
Am Morgen früh reist meine Besatzung nach 7 gemeinsamen Tagen ab - ich setze also die Reise solo fort.
Vom Kanal fahre ich in die Dender - ein totaler Wandel. Der Fluss schlängelt und mäandert durch Wiesen und Wald, ich habe zuweilen das Gefühl, mitten durch Kuhherden zu fahren. Es ist wunderschön, nur der minimale Wasserstand macht mir Sorgen - manchmal glaube ich das Kies am Kiel kratzen zu hören. Zum Mittagessen treffe ich in Geraardsbergen ein und nutze danach den Sonntagnachmittag zu einem Stadtspaziergang in dem hübschen Städtchen. Dabei lerne ich, dass die Geraardsberger auf drei Dinge besonders stolz sind:
Erstens die Muur. Die 'Muur van Geraardsbergen' ist ein Stück Straße, die im Ortszentrum an der Dender beginnt, über den Marktplatz auf ein Hügelchen hinter der Stadt führt und dabei auf einem Kilometer Länge eine Höhendifferenz von etwa 80 Meter ansteigt. Berühmt wurde sie durch die Flandernrundfahrt und zieht, gerade an einem so schönen Sonntagnachmittag, Unmengen von Hobby-Gümmelern an. Die kriegen dann wohl alle den Belgischen Bergpreis...
Zweitens ihr Manneken Pis: er soll schon 160 Jahre vor dem in Brüssel die Dender gefüllt haben.
Und Drittens sind es die Mattentaart, eine Art Quark-Pastete. Ich habe mir 2 Stück gekauft, eine für den Dessert zum Znacht und eine für Morgen - ich habe dann aber noch tagelang davon gegessen. Sie schmecken hervorragend, sind aber so mastig, dass eine für eine ganze Familie reicht.
Weiter geht es auf der Dender, Tagesziel ist Aalst. Es soll eine schöne Stadt sein, und so will ich dort einen Tag Pause machen.
Um halb Neun lege ich ab und fahre mit der Morgensonne aus der Stadt. Die Fahrt geht weiter durch Feld und Wald, die Dender wird etwas breiter. Im späteren Nachmittag komme ich in Aalst an, belege an einer Mauer Eingangs Stadt, mache klar Schiff und mache mich bereit für einen Stadtgang und Einkaufen. Da kommt die Tjorven, ein 80 Meter Schiff, und reklamiert den Platz für sich. Also gut, Motor starten, Leinen los, eine Brücke weiter fahren und dort am Quai belegen - es hat sich gelohnt, der Platz ist viel besser und Tjorven hat seinen Platz.
Die Stadtbesichtigung Tag lohnt sich. Aalst hat viele schöne Gebäude und ein interessantes Stadtmuseum, in dem ich viel über die Stadt und ihre Geschichte erfahre.
Auf der Dender geht es weiter bis Dendermonde, der Dender-Mündung, wo die Schleuse in die Schelde führt. Der Gezeitenstand ist so, dass die Schelde nur ganz wenig tiefer steht und dadurch die Schleusung nur kurz ist. Auf der Schelde gehts dann mit abfliessendem Wasser plus der Strömung wie mit der Feuerwehr zu Tal. Hier lerne ich dann das AIS dass erste Mal richtig schätzen, indem ich den Gegenverkehr frühzeitig erkenne und reagieren kann.
Wie bereits letztes Jahr auf der Reise nach Diksmuide mache ich wieder in Temse Halt. Leider ist das 'Peti Bato' geschlossen, es gibt keinen Hamburger zum Znacht - also koche ich selber.
Ich überdenke meinen Plan, als Kompensation für die entgangene Reise auf der Maas einen Abstecher nach Mechelen und Leuven zu machen, nochmals und entschliesse mich, darauf zu verzichten. Ich könnte heute Antwerpen direkt erreichen, lege dann aber doch noch eine Übernachtung in Lier ein, damit ich auch dieses Städtchen einmal besuchen kann. Nach dem Mittag komme ich dort an und mache mich nach dem Klar Schiff auf zur Stadtbesichtigung. Die lohnt sich voll: Das Rathaus, der Belfried, die Kathedrale und der Zimmertoren (Zimmerturm) mit seiner von Louis Zimmer gebauten Uhr, die 13 verschiedene Anzeigen hat, sind ein Besuch wert.
Wie schon mal gefahren den Netekanal bis zur Schleuse Vierssel, dort im Albertkanal nach Backbord, die letzte Schleuse Wijnegem runter, und schon liegt Antwerpen voraus - Back Home!